Halbjahresbilanz: Viel passiert?
Wer sich die Veränderung wichtiger Aktienindizes im ersten Halbjahr 2020 ansieht, dürfte den Eindruck haben, es sei ein ruhiges, wohl eher ereignisarmes Halbjahr gewesen. Der populäre Leitindex der Wallstreet, der Dow Jones Industrial Average, startete mit 28.538 Punkten in das Jahr. Am letzten Handelstag des ersten Halbjahres wurde der Dow Jones mit 25.813 Zählern ermittelt, also 9,6 Prozent tiefer. Der 500 amerikanische Aktien umfassende S&P-500-Index beendete das erste Halbjahr sogar nur mit einem Miniminus von 4,0 Prozent. Noch besser blieb die Entwicklung an der „Technologie-Börse“ Nasdaq. Deren umfassender „Composite Index“ zeigt in seiner Halbjahresbilanz ein Plus von 12,1 Prozent. Angeführt wurde die Kurserholung von Internet-Aktien. Der entsprechende Branchenindex erzielte im ersten Kalenderhalbjahr ein Plus von 25,5 Prozent.
An den europäischen Aktienmärkten verblieben für das erste Halbjahr zwar Verluste; allerdings in einer verkraftbaren Größenordnung. So stehen die Chancen gut, im Laufe des Gesamtjahres in die Gewinnzone zurückzukehren. Der Euro-STOXX-50-Index weist für Euroland ein Halbjahresminus von 13,6 Prozent aus. Deutlich besser schnitt der deutsche Leitindex DAX ab, der Mitte des Jahres 7,1 Prozent niedriger stand als bei Jahresbeginn.
Der Zusammenbruch des deutschen Zahlungsverkehrsdienstleisters Wirecard als Folge eines Bilanz- und Betrugsskandals belastet den DAX aufgrund des geringen Gewichts, mit dem die Wirecard-Aktie in den DAX eingerechnet wird, kaum. Beim deutschen Technologie-Aktienindex TecDAX entfielen allerdings gut 8 Prozent auf Wirecard. Ohne Wirecard hätte der TecDAX das erste Halbjahr mit einem Plus beendet, so aber fehlten 2,0 Prozent zu einem ausgeglichenen Halbjahr.
Was die vergleichsweise kleinen prozentualen Veränderungen des ersten Halbjahres nicht zeigen: Hinter den Aktienbörsen liegt das turbulenteste Halbjahr der Geschichte. Noch nie brachen die Aktienkurse von unmittelbar zuvor erreichten Rekordhöhen so schnell und so weit ein. Und noch nie erholten sie sich binnen weniger Wochen wieder um so hohe Beträge. Wer angesichts dieser historisch einmaligen Kursbewegung den Kopf schüttelt und eine „Abkopplung von der Wirklichkeit“ vermutet, übersieht die Gründe für den V-förmigen Kursverlauf.
Der beispiellose weltweite Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität war nicht die Folge einer Konjunkturschwäche, die sich über Monate entwickelte. Vielmehr mussten überall auf der Welt „Lockdown“-Maßnahmen zur Eindämmung der Virus-Pandemie ergriffen werden. Dies ist also eine von staatlicher Seite angeordnete Rezession. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass bei einer schrittweisen Lockerung der Maßnahmen die Wirtschaftsaktivitäten wieder zunehmen.
Zudem sind weltweit Hilfsprogramme in nie zuvor erreichter Größenordnung gestartet
worden, um die Konjunktur wieder zu beleben. Ausmaß und Geschwindigkeit der Konjunkturerholung bleiben natürlich ein Thema, das auch an den Börsen aufmerksam beobachtet wird.
Welche Lehren können Anleger aus dem ersten Halbjahr ziehen? Einmal mehr haben sich panische Verkäufe bei einem Crash als falsch erwiesen. Wer im März angesichts von Schreckensmeldungen Aktieninvestments auflöste oder verringerte, hat dafür den schlechtesten Zeitpunkt seit Jahren gewählt und wahrscheinlich hohe Verluste erlitten. Wer nur wenige Monate wartete, dürfte sich heute wieder in der Gewinnzone befinden. Dies gilt zumindest für diejenigen, die in den Wochen nach dem Crash, also in der zweiten Märzhälfte, im April oder im Mai Aktieninvestments getätigt oder aufgestockt haben.
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