Markteinschätzung November 2021

Der Preisanstieg in den USA hat die Erwartungen deutlich übertroffen. Seit im Juli bekanntgegeben wurde, dass die Preise im Juni 2021 5,4 Prozent höher waren als im Juni 2020, wurden an der Ansicht der Notenbank, bei dem Inflationsanstieg handele es sich nur um ein vorübergehendes Phänomen, vermehrt Zweifel geäußert. In den Folgemonaten blieb die US-Inflationsrate
bei 5,4 Prozent. Die Kerninflation sank dagegen etwas. Sie wird ohne die stärker
schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise berechnet. Dies schwächte vorübergehend die Befürchtungen ab, die US-Notenbank müsse den immer noch weit aufgedrehten Geldhahn für die Wirtschaft schneller zudrehen. Bislang kauft die US-Notenbank jeden Monat für 120 Milliarden Dollar Anleihen an den Kapitalmärkten auf. Inzwischen gilt es aber nur noch als Frage der Zeit, bis diese Anleihekäufe verringert werden. Im nächsten Schritt dürfte dann in der zweiten Hälfte nächsten Jahres die erste Leitzinserhöhung in den USA erfolgen, so die vorherrschende Erwartung.

Die Anleihemärkte hatten lange auf einen „Inflationsbuckel“ gehofft. Danach wäre der Inflationsanstieg nur der gedrückten Ausgangsbasis aus dem Corona-Jahr 2020 geschuldet gewesen. Die laufende Verzinsung von amerikanischen Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit, die bis zur Jahresmitte auf 1,44 Prozent gesunken war, sank bis in die zweite Julihälfte sogar auf nur 1,13 Prozent. Dann wurden im Juli die oben genannten höheren Inflationsraten veröffentlicht und seit Anfang August zeigt sich auch an der Börse, dass die Mehrheit ein Ende der
extremlockeren Geldpolitik erwartet. Denn bis Ende September fielen die Anleihekurse so weit, dass die Rendite für US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit auf 1,53 Prozent stieg. In Europa vollzogen die Zinsen am Kapitalmarkt eine ähnliche Entwicklung – allerdings weiterhin näher an der Nulllinie. Die Rendite deutscher Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit blieb noch negativ, nämlich bei minus 0,2 Prozent.

Ein wichtiger Ausgangspunkt für die Entwicklung der Zinsen ist der amerikanische Arbeitsmarkt, weil die US-Notenbank das Ziel der Vollbeschäftigung verfolgt. Ist es erreicht, kann sie guten Gewissens ihre Zinsen erhöhen, um der Inflation entgegenzuwirken. Ist die Arbeitslosigkeit in den USA noch zu hoch, gelten Zinserhöhungen als falsch. Deshalb beobachten viele
Experten den US-Arbeitsmarkt. Und in den vergangenen Wochen bereiteten diese Daten Kopfzerbrechen. Im September waren außerhalb der Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten nur 194.000 neue Stellen geschaffen worden, während Fachleute mit mehr als dem Doppelten gerechnet hatten. Die Arbeitslosenquote fiel allerdings gleichzeitig auf 4,8 Prozent und damit weitaus deutlicher als erwartet. Dass auch die durchschnittlichen Löhne wider Erwarten stärker stiegen, befeuerte die Inflationssorgen. Angesichts dieser uneinheitlichen, fast widersprüchlichen Daten halten es einige Kapitalmarktexperten für gut möglich, dass die US-Notenbank ihre Anleihekäufe bis zum Jahresende noch bei 120 Milliarden Dollar pro Monat belässt. Andere, darunter die Volkswirte Ulrich Wortberg von der Hessischen Landesbank (Helaba) und Dirk Chlench von der LBBW, sehen keinen Grund dafür. Abgesehen von der Arbeitslosenquote verwies Wortberg auf den fortgesetzten Anstieg der Stundenlöhne, der die Inflationssorgen vergrößern könne.

Weltweit ist die Rückkehr zu höheren bzw. positiven Zinsen schon eingeleitet. Andere Notenbanken haben bereits begonnen, ihre Leitzinsen zu erhöhen. Die norwegische Zentralbank Norges Bank hat zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie die Zinsen erhöht. Nachdem der Leitzins seit März 2020 bei null Prozent lag, wurde er unlängst auf 0,25 Prozent erhöht. Damit ist Norwegen das erste Land unter den G10-Staaten, in dem die Zinsen angehoben wurden.

Auch nach Einschätzung von Sandra Holdsworth, Zins-Expertin bei Aegon Asset Management, wird es wohl nicht lange dauern, bis andere Zentralbanken folgen. Die Kommunikation der Währungshüter rund um die Welt habe sich schleichend in Richtung einer bevorstehenden geldpolitischen Straffung entwickelt.

Dies dürfte auch für die US-Notenbank Fed gelten. Die Zahl der Mitglieder im Offenmarktausschuss als zuständigem Fed-Gremium, die mit baldigen Zinserhöhungen rechnen, ist gestiegen. Fed-Chef Jerome Powell deutete an, dass das Anleihekaufprogramm bereits im Mai 2022 auslaufen könnte und somit früher als vom Markt erwartet. Obwohl sich die Fed mit der Bekanntgabe des Beginns ihres geldpolitischen Straffungszyklus noch zurückhielt, rechnet der
Markt mit einer bevorstehenden Ankündigung zur Verringerung der Anleihekäufe, auch „Tapering“ genannt.

In Europa hat die Bank of England (BoE) den Weg für eine Zinserhöhung vielleicht schon im November geebnet. Die Anzahl der BoE-Entscheider, die das derzeitige Anleihekaufprogramm vorzeitig beendet sehen möchten, nimmt zu, obwohl es ohnehin zum Jahresende auslaufen würde. Diesmal könnte die Bank of England ihre Leitzinsen früher anheben als die Fed, was ungewöhnlich wäre. Aber die steigende Inflation im Vereinigten Königreich könnte einen solchen
Schritt erfordern.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihr Anleihekaufprogramm bereits angepasst und kauft monatlich weniger Anleihen als noch im Sommer. Das laufende Pandemie-Notfallankaufprogramm mit dem Namen „Pandemic Emergency Purchase Programme", kurz PEPP, dürfte zwar in der einen oder anderen Form bis zum kommenden Frühjahr verlängert werden, um ein plötzliches Aus der Anleihekäufe zu vermeiden. Aber auch hier ändert sich die Richtung der Geldpolitik mit der Verringerung der Anleihekäufe bereits.
Noch keine Anstalten, von ihrer lockeren Geldpolitik abzuweichen, machen die Bank of Japan (BoJ) und die Schweizerische Nationalbank (SNB). Nach Ansicht der Aegon-Expertin Holdsworth werden die beiden Zentralbanken ihren Kurs erst ändern, wenn dies zuvor in den USA und in Großbritannien geschehen ist. So sollte sich die japanische Wirtschaft verhalten entwickeln und anfällig für neue Einschränkungen im Zusammenhang mit Covid-19 bleiben, solange sich nicht ein größerer Teil der Bevölkerung impfen lässt. In der Schweiz vertritt die SNB
weiterhin die Ansicht, dass der Schweizer Franken überbewertet ist und hält daher an ihrem seit 2015 unveränderten Negativzins von minus 0,75 Prozent fest. Ein Zinsnachteil macht eine Währung für Anleger weniger attraktiv und trägt somit dazu bei, den Wechselkurs zu schwächen, was der Exportwirtschaft des Landes hilft.

Das aktuelle Umfeld erfordert bei Zinsanlagen und Anleiheinvestments ein sehr vorsichtiges und gut durchdachtes Vorgehen. Wer sich jetzt bei der Geldanlage für viele Jahre auf die noch sehr niedrigen Zinsen festlegt, macht wahrscheinlich einen Fehler. Die US-Fondsgesellschaft Fidelity hält unter den klassischen Staatsanleihen unverändert nur britische und japanische Papiere für relativ aussichtsreich. Dagegen erscheinen US-Staatspapiere mit Blick auf eine näher rückende Straffung der Geldpolitik von Rückschlägen bedroht. Bei Unternehmensanleihen favorisiert Fidelity weiterhin Hochzinspapiere, da sich nach Ansicht ihrer Experten dort die Perspektiven weiter aufgehellt haben. Allerdings sind dabei die höheren Risiken zu prüfen. Bei Anleihen aus Schwellenländern hielten sich Chancen und Risiken derzeit die Waage, so die
Fondsgesellschaft.

Die Mehrheit der Experten rät zur Vorsicht. Kurze Laufzeiten und eine gezielte Auswahl der Anleihen durch Experten scheinen angebracht – spannende Aufgaben für aktive Manager von Renten- oder Mischfonds.

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