Markteinschätzung Dezember 2021

Wall Street vor Favoritenwechsel?


Wall Street, der Name einer rund 800 Meter langen Straße im Süden des New Yorker Stadtteils Manhattan, wird oft als Synonym für den US-amerikanischen Aktienmarkt und manchmal die ganze Finanzbranche in den USA verwendet. Tatsächlich befindet sich dort bis heute die New York Stock Exchange, kurz NYSE, eine der größten Wertpapierbörsen der Welt. Sie ist nicht die einzige Aktienbörse in New York. Vor allem die volldigitale Börse Nasdaq, deren Sitz am Times Square liegt, hat sich seit ihrer Gründung 1971 und dank der Fusion mit der American Stock Exchange zur größeren Konkurrentin der NYSE entwickelt. Während sich bei der traditionsreichen Börse in der Wall Street die Händler bis heute in einem Börsensaal treffen, werden Angebot und Nachfrage an der Nasdaq digital zusammengeführt.

Aufgrund des erleichterten Zugangs wählten in den vergangenen Jahrzehnten oft junge Technologie-Unternehmen die Nasdaq für ihren Börsengang. Sie wird deshalb häufig als Technologie-Börse bezeichnet. Allerdings ist die Zugehörigkeit zu bestimmten Branchen keine Voraussetzung für ein Börsenlistung an der Nasdaq. So zählen beispielsweise auch eine Drogeriekette, ein Eisenbahnunternehmen, drei Anlagenbauer und eine Hotelkette zu den 100 größten Unternehmen an der Nasdaq. Aus den Aktienkursen dieser 100 Unternehmen wird der Nasdaq-100-Index berechnet. Insbesondere in der jüngeren Vergangenheit verzeichnete dieser Index noch höhere Gewinne als der alte Dow Jones Industrial Average, der seit 1884 für die größten Aktien der NYSE ermittelt wird.

Ob in den nächsten Monaten und Jahren substanzstarke Aktien der traditionellen, oft stärker von der Konjunktur abhängigen Branchen aufholen oder die wachstumsstärkeren Unternehmen ihren Vorsprung trotz ihrer stark gestiegenen Aktienkurse ausbauen können, bleibt unter Experten umstritten. Nach dem Kurseinbruch durch die Corona-Krise im März 2020 bevorzugten Anleger zunächst die weniger konjunkturabhängigen Technologie- und Wachstumswerte. Danach und vor allem ab November 2020 standen die günstiger bewerteten Konjunkturgewinner und Substanzaktien auf den Kauflisten. Konjunkturdaten und Geschäftsergebnisse der Unternehmen konnten die Erwartungen meist positiv übertreffen. Allerdings bremsten Sorgen, die rasche Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus könnte die wirtschaftliche Erholung gefährden, den Kursaufschwung. In diesen Phasen schnitten dann Technologie- und Wachstumsaktien besser ab.

Als vergleichsweise neues Problem ist die stark gestiegene Inflation hinzugekommen. Vom allgemeinen Anstieg des Preisniveaus geht wachsender Druck auf die US-Notenbank aus, ihre sehr lockere Geldpolitik bald zu beenden. Bislang stützte die Notenbank Wirtschaft und Börse mit umfangreichen Anleihekäufen. Seit November wird der Umfang dieser Käufe Monat für Monat reduziert.

Vom Chef der Notenbank, Jerome Powell, wird allgemein erwartet, dass es in der Mitte und in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres zu mehreren Leitzinserhöhungen kommen könnte. Als nun US-Präsident Joe Biden Powell für eine zweite Amtszeit nominierte, wurde das an der Wallstreet zunächst positiv aufgenommen. Allerdings hätte man von der ebenfalls für den Chefsessel gehandelten Notenbank-Direktorin Lael Brainard eine weniger entschlossene Rückkehr zu Leitzinserhöhungen erwartet. Deshalb drehten noch am gleichen Tag die Nasdaq-Indizes ins Minus. Die hohe Bewertung von Technologie- und Wachstumsaktien würde unter steigenden Zinsen stärker leiden als die von Substanzaktien.

Der tägliche Blick auf die Wall Street bleibt für Fondsmanager und Kapitalmarktexperten unverzichtbar. Über die Perspektiven des US-Aktienmarktes gehen die Meinungen auseinander. Erfahrene Fondsmanager und Börsenexperten verweisen auf die steigenden US-Zinsen, das insgesamt hohe Kursniveau und das nachlassende Gewinnwachstum der Unternehmen. Nach den herausragenden Gewinnsprüngen in diesem Jahr sollte der durchschnittliche Anstieg der Unternehmensgewinne für das nächste Jahr nur im kleineren einstelligen Prozentbereich liegen. Weil gleichzeitig mehrere Zinsschritte der US-Notenbank zu erwarten sind, dürfte das Umfeld für Aktien schwieriger werden. Ob sich dabei Substanz- oder Wachstumsaktien besser entwickeln werden, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Viele Experten raten dazu, sich wie in den vergangenen Monaten auf ein anhaltendes Wechselspiel einzustellen, in dem mal die
einen und mal die anderen Aktien besser abschneiden.

Auch die Experten einer schweizerischen Fondsgesellschaft beobachten den Favoritenwechsel zwischen eher konjunkturabhängigen, zyklischen Aktien einerseits und Wachstumsaktien andererseits. Die zyklische Kursrallye sei möglicherweise noch nicht vorüber, auch wenn einige Anleger bereits Gewinne mitgenommen und sich auf defensive Aktien verlegt hätten. Insgesamt habe das Niedrigzins-Umfeld die Wertentwicklung bei US-Aktien begünstigt. Vom jetzt erreichten Niveau aus dürfte es Aktien schwerer fallen, weiter stark zu steigen. Die meisten Fondsmanager bevorzugen stabile und berechenbare Unternehmen mit konstanter Entwicklung gegenüber Unternehmen mit schwankendem Wachstum.

Der Trend hin zu Technologie, die für höhere Produktivität und Effizienz sorgt, dürfte sich fortsetzen. Hochwertiges Wachstum finde sich jedoch nicht nur im Technologiebereich, sondern auch in anderen Sektoren wie der Industrie. Manche Anbieter von Software oder Cloud-Diensten seien unter Umständen dem Druck durch Inflation und Arbeitsmarkt weniger stark ausgesetzt. Anbieter ohne Preissetzungsmacht seien gefährdet, während Unternehmen mit starken Marken und einem differenzierten Produktportfolio profitieren dürften. Ein weiteres Thema für den US-Aktienmarkt bleiben mögliche Steuererhöhungen, die zwar fast alle Unternehmen treffen würden, je nach Branche aber unterschiedlich stark.

Die Kapitalmarktexperten einer der größten US-Banken sehen aktuell Gründe, auf eher zyklische Branchen, Substanzwerte und sogenannte Value-Aktien zu setzen. Letztendlich werde sich die Nachfrage durch die steigende Zahl der Corona-Infektionen nur verzögern. Die finanzielle Lage der Privathaushalte, die seit Ausbruch der Pandemie weniger Geld ausgeben konnten, habe sich verbessert. Auch die Entwicklung auf den Arbeitsmärkten dürfte für Rückenwind sorgen. Vom neuerlichen Anstieg der Infektionszahlen erwarten die Experten nur geringe Auswirkungen auf die Wirtschaft, die im kommenden Jahr ihren Aufschwung fortsetzen dürfte. Ein Thema sei allerdings die Inflation. Hier stelle sich die Frage, ob der Anstieg des Preisniveaus gemäß der Argumentation der Notenbanken tatsächlich nur vorübergehend sein wird. Mit Blick auf das nächste Jahr dürfte das Szenario aus Konjunkturerholung und leicht höheren Zinsen die sogenannten Value-Segmente des globalen Aktienmarktes unterstützen.

Mehrere Fondsgesellschaften lenken die Aufmerksamkeit auf das Wachstum der Schwellenländer, das aktuell unter seinen langfristigen Trend gefallen ist. Große US-Fondsgesellschaften sehen darin ein Argument für den US-Aktienmarkt. Die Aussichten seien für die Wall Street, Großbritannien und Japan besser als für den Rest der Welt. Das Fazit lautet daher: Am US-Aktienmarkt führt weiterhin kein Weg vorbei. Die zentrale Frage für Fondsmanager und Investoren ist allerdings, ob sich der Höhenflug der Technologie- und Wachstumsaktien fortsetzt oder ob es zu einem Favoritenwechsel zugunsten von Value-Titeln kommen wird.

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