Markteinschätzung Juli 2023

Im Mai hatte der politische Streit um die US-Staatsschuldenobergrenze auf den Börsen gelastet, auch wenn eine Einigung wie unzählige Male zuvor als wahrscheinlich galt. Auch diesmal wurde die Zahlungsunfähigkeit des größten Schuldners der Welt durch eine Anhebung der Schuldenobergrenze abgewendet. Die Einigung wurde zwar mit Erleichterung aufgenommen, zeigte aber an den Börsen nur begrenzte Wirkung, weil mehrheitlich mit einem Kompromiss gerechnet worden war.

Leitzinsen und Konjunktur im Fokus


Die Aufmerksamkeit der Investoren wandte sich rasch den Themen Leitzinsen und Konjunktur zu. Der Anstieg der Beschäftigung auf dem US-Arbeitsmarkt ließ die Befürchtung weiterer Leitzinserhöhungen wiederkehren. Zwar legte die US-Notenbank wie mehrheitlich erwartet nach nunmehr zehn Leitzinserhöhungen in Folge eine Pause ein. Allerdings bereitete die Fed die Kapitalmärkte darauf vor, in diesem Jahr gegebenenfalls ihre Leitzinsen noch zweimal anzuheben. Die Aussicht auf weiter steigende Zinsen drückte sowohl auf Aktien- als auch Anleihekurse. Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhte wie erwartet ihre Leitzinsen Mitte Juni um je einen Viertel Prozentpunkt. Der Hauptrefinanzierungssatz erreichte damit erstmals seit 2008 wieder 4,0 Prozent. Der Spitzenrefinanzierungssatz liegt seit Juni 2014 stets 25 Basispunkte darüber, jetzt also bei 4,25 Prozent. Umgekehrt erhalten Geschäftsbanken für ihre Guthaben bei der Zentralbank jetzt wieder 3,5 Prozent Zinsen. Dies ist die höchste Verzinsung seit 2001. Im Zinserhöhungszyklus von 2005 bis 2008 hatte die EZB auch in der Spitze nicht mehr als 3,25 Prozent gezahlt. Trotzdem dürfte dieser Zinszyklus noch höhere Zinsen bringen, denn auch die europäischen Zentralbanker erhöhten ihre Inflationsprognose und bereiteten die Märkte auf weitere Zinsschritte vor. Euro gewinnt gegenüber US-Dollar.

Die unterschiedlichen Leitzinsentscheidungen von Fed und EZB lösten Mitte Juni an den Devisenbörsen eine Erholung des Euros gegenüber dem US-Dollar aus, weil der Zinsvorteil der US-Währung kleiner wurde. Ende Mai hatte ein Euro in der Spitze nur noch 1,063 US-Dollar gekostet, im Monatsverlauf dann zeitweilig 1,10 US-Dollar. Damit blieb der Wechselkurs in der seit den ersten Wochen dieses Jahres gültigen Bandbreite von 1,05 bis 1,11 US-Dollar pro Euro. 

Positive Impulse gingen dagegen vom Thema Künstliche Intelligenz (KI) aus. Der rasante technische Fortschritt in diesem Bereich sorgte für Kursfantasie. Aktien mit Bezug zum Thema KI waren gefragt. Gute Quartalszahlen und der Ausblick des Chip-Designers NVIDIA hatten im Mai die Erwartungen des Marktes deutlich übertroffen und einen Kurssprung ausgelöst. Im Juni kletterte die Aktie zunächst weiter. Der rechnerische Börsenwert des Unternehmens erhöhte sich auf über eine Billion US-Dollar.

Künstliche Intelligenz befeuert Nasdaq-100- Index


Der Nasdaq-100-Index, in dem die NVIDIA-Aktie enthalten ist, setzte seine starke Erholungsrallye aus den ersten fünf Monaten des Jahres fort und überschritt erstmals seit April 2022 wieder die Marke von 15.000 Zählern. Bis zum Rekordstand aus dem November 2021 fehlen dem Index noch rund 12 Prozent. Aber auch abseits der KI-Aktien überwogen an der Wallstreet die Kursgewinne. So kam der S&P500 bis gut 4.400 Punkte voran und konnte damit einen Großteil der Kursverluste aus dem Jahr 2022 im ersten Halbjahr 2023 aufholen. Der populäre Dow Jones Industrial Average Index hingegen pendelte weiter um 34.000 Zähler herum und verzeichnet für das erste Halbjahr nur einen kleinen Zuwachs.

Auch an den europäischen Aktienbörsen mangelte es an stärkerem Aufwärtsmomentum. Das Umfeld aus schwacher Konjunkturentwicklung bei gleichzeitigen Zinserhöhungen spricht nicht für Aktien. Der Euro-STOXX-50 kam nicht über die bisherigen Jahreshochs bei rund 4.400 Punkten aus den Monaten April und Mai hinaus. Allerdings fehlen dem Kursindex auch die Dividendenzahlungen, die überwiegend in diesem Zeitraum erfolgten und zu Dividendenabschlägen bei den Kursen führten. Im Gegensatz dazu werden beim Deutschen Aktienindex DAX als meistbetrachteten Performanceindex die gezahlten Dividenden eingerechnet. Deshalb erreichte der DAX ein neues Rekordhoch bei 16.427 Zählern, bevor auch dieser Index in der zweiten Monatshälfte etwas zurückkam.

Investoren schauen nach Japan


Der japanische Aktienmarkt konnte in der ersten Junihälfte an den Kursaufschwung im Mai anknüpfen. Mit rund 33.760 Punkten erreichte der Nikkei-225-Index den höchsten Stand seit 1990. Hintergrund dieses Kursaufschwungs sind die günstige Bewertung und die verbesserten Aussichten für die japanische Wirtschaft, die zu einem wachsenden Interesse von Investoren führen. Die großen Anleihemärkte zeigten sich im Juni wenig verändert. Die Rendite der wegweisenden US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit pendelte um die Marke von 3,75 Prozent. Auch die Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen bewegte sich im Monatsverlauf in einer vergleichsweise engen Spannbreite von 2,2 bis 2,5 Prozent. Fallende Notierungen verzeichneten Edelmetalle. Nach einer Preisspitze Anfang Mai, bei dem der Goldpreis sein Rekordhoch bei 2.081 US-Dollar pro Unze einstellte, geriet Gold in einen leichten Abwärtstrend, der im Juni bis rund 1.900 US-Dollar nach unten führte. Offenbar ging vom Hoch Anfang Mai eher das Signal für Gewinnmitnahmen als für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends aus. Bei den anderen Edelmetallen fiel der Preisrückgang prozentual stärker aus.

Kryptowährungen weiterhin mit hohen Schwankungen


Hohe Kursschwankungen gab es im Juni bei Kryptowährungen. Zunächst belasteten die Klageerhebung der US-Börsenaufsicht SEC gegen die Kryptobörsen Binance und Coinbase, weil die SEC Kryptowährungen als Wertpapiere einstuft. Als aber wenig später große Akteure aus der traditionellen Finanzbranche ihre Expansion in Richtung Digitalwährungen bekanntgaben, führte das in der zweiten Junihälfte zu einer Kurserholung. Der Bitcoin-Wechselkurs stieg auf über 30.000 US-Dollar und damit auf den höchsten Wert seit über einem Jahr.

Nach dem schlechten Börsenjahr 2022 sahen die meisten Marktbeobachter und Investoren wenig Gründe, warum schon das erste Halbjahr 2023 besser werden sollte. Die Notenbanken würden mit ihren Leitzinserhöhungen weitermachen und gleichzeitig dürfte sich die Konjunktur abschwächen, eine Rezession stehe bevor, womit viele Unternehmensergebnisse unter Druck kommen würden. Aber die Aktienmärkte setzen sich über diese Bedenken hinweg und begannen mit einer Kurserholung von den Verlusten des Vorjahres.

Comeback der Technologie-Aktien


Kurz vor dem Erreichen der Jahresmitte verzeichnet der MSCI All Countries für das laufende Jahr ein Plus von 12 Prozent, der MSCI Europe von 9 Prozent und der S&P-500 von 14 Prozent. Eine rasante Rückkehr der Investoren erlebten Technologie-Aktien. Der entsprechende MSCI-Sektorindex verzeichnet einen Anstieg um 34 Prozent. Und mit Japan entdeckten Investoren einen Markt wieder, den viele lange nicht auf dem Schirm hatten. Um mehr als 21 Prozent stieg der TOPIX-Index seit Jahresbeginn.

Unterinvestierte Anleger treiben Aktienmärkte


Untersucht man die Gründe, war einmal mehr die schlechte Stimmung unter Aktieninvestoren der Nährboden für die Kursgewinne. Entsprechend unterinvestiert waren die Anleger in Aktien zum Jahresbeginn. Nicht wenige spekulierten auf eine Fortsetzung der Abwärtstrends und waren dementsprechend short investiert. Sie deckten sich dann zum Beginn der Kurserholung ein, was ebendiese befeuerte. Innerhalb des ersten Halbjahres drehte sich die Stimmung, insbesondere unter US-Aktienanlegern, um 180 Grad. Unlängst wurden in den USA Rekordzuflüsse in den Aktienmarkt vermeldet. Sentiment-Indikatoren wie der Fear and Greed-Index zeigen hohen Optimismus. Er gilt vor allem den Technologie-Aktien und dabei insbesondere solchen, die das Thema Künstliche Intelligenz besetzen. Gerade angesichts einer zunehmenden konjunkturellen Schwächephase suchen Investoren Wachstum. Die Schere zwischen Wachstums- und Substanzaktien, die sich 2022 schloss, hat sich in diesem ersten Halbjahr wieder geöffnet. Während der MSCI Value gerade mal ein Plus von 2,5 Prozent vorweisen kann, steht der MSCI Growth gut 22 Prozent höher als zum Jahresbeginn.

Liquiditätsentzug belastet Realwirtschaft


Wie stehen die Chancen auf eine Fortsetzung dieser Trends im weiteren Jahresverlauf? Ein baldiges Nachgeben im Kampf gegen die Inflation ist nicht zu erwarten. Die hohen Kerninflationsraten zeigen, dass nicht nur zwischenzeitlich hohe Energiepreise die Inflation nach oben getrieben haben, sondern Zweitrundeneffekte drohen, die Inflationsspirale dauerhaft anzutreiben. Der Liquiditätsentzug durch die Notenbanken ist vor diesem Hintergrund notwendig, aber er dürfte noch im Laufe dieses Jahres sowohl in der Realwirtschaft als auch an den Börsen spürbarer werden. Eine breite Hausse erscheint vor diesem Hintergrund unwahrscheinlich bis unmöglich.

China fällt als Konjunkturlokomotive aus


Entscheidend für die Aktienmärkte wird sein, ob die Gewinne der Unternehmen ihre hohen Niveaus trotz der weltweiten Konjunkturabkühlung halten können. Europa steckt bereits in einer Schwächephase. Die früheren Konjunkturlokomotiven USA und China werden diese Funktion in absehbarer Zeit nicht wieder übernehmen. Peking sieht sich erheblichen strukturellen Problemen gegenüber. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch. Zins- und fiskalpolitische Stimulierungen begünstigen die weitere Fehllenkung von Kapital. Und die Blase auf dem chinesischen Immobilienmarkt ist keineswegs verarbeitet.

Anleihen rücken wieder ins Bewusstsein


Wie sollten sich Anleger in dieser wachstumsschwachen Phase positionieren? Anleihen, die bis 2021 ein zunehmend schlechteres Rendite-Risiko-Profil zeigten, können grundsätzlich wieder eine größere Rolle spielen, auch wenn sie eher als Stabilisator fungieren als als Quelle hoher Renditen. An den Aktienmärkten sind die Wachstumsprämien im ersten Halbjahr für Technologie-Aktien im Allgemeinen und KI-Aktien im Besonderen so stark gestiegen, dass man davon abraten muss, jetzt noch auf diesen Zug aufzuspringen. Die Gefahr, dass die hohen Erwartungen enttäuscht werden, sind gewachsen. Bei vielen zyklischen, also konjunkturabhängigen Aktien sind dagegen schlechtere Erwartungen an die Entwicklung der Unternehmensgewinne eingepreist. Wo Bewertungen im internationalen Vergleich noch günstig sind, kann sich das positive Momentum aus dem ersten Halbjahr vielleicht auch im zweiten Halbjahr fortsetzen. Japan bleibt unter diesem Aspekt interessant.

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