Markteinschätzung Mai 2021

Corona und die Aktien der Gesundheits-Branche

 

Vor gut einem Jahr entwickelte sich die Atemwegserkrankung Covid-19 zur schwersten Pandemie seit über einhundert Jahren. Sie beherrscht seitdem wie kein zweites Thema die Politik, die weltweite Öffentlichkeit, die Medien und auch die Börsen. Eine besondere Rolle spielen seitdem die Unternehmen des Gesundheitssektors, englisch „Healthcare“. Dazu zählen sehr unterschiedliche Unternehmen: von multinationalen Pharmakonzernen über Biotech-Start-ups bis zu Generika-Herstellern, von Krankenhausbetreibern über Medizintechnik-Hersteller bis zu Anbietern zur Digitalisierung des Gesundheitswesens.

Bei allen Unterschieden ist ihnen gemeinsam, dass Gesundheitsaktien nur wenig von der allgemeinen Konjunkturentwicklung abhängig sind. Anders als die Nachfrage nach Baumaschinen oder höherpreisigen Konsumgütern wie Autos hängt der Bedarf im Gesundheitswesen nicht davon ab, wie die wirtschaftliche Entwicklung ist oder erwartet wird. Deswegen gelten Healthcare-Aktien grundsätzlich als defensiv.

Im Crash, den die Aktienmärkte im März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie erlitten, nützte das nur wenig. Vom Hoch in der zweiten Februarhälfte bis zum Tiefpunkt des Crashs einen Monat später verloren Healthcare-Investments rund 25 Prozent – zumindest gemessen am Rückgang des entsprechenden Aktienindex, dem MSCI World Health Care, in dem die Aktienkurse verschiedenster Unternehmen aus der Gesundheitsbranche weltweit zusammengefasst werden. Der Kurseinbruch fiel damit zwar ungefähr zehn Prozentpunkte kleiner aus als bei dem alle Branchen umfassenden MSCI Weltaktienindex, bedeutete kurzfristig aber auch für Anleger in Aktien der Gesundheitsbranche einen Rückschlag.

Nicht das sprichwörtliche Handtuch zu werfen, erwies sich einmal mehr als richtig. Denn gerade die Healthcare-Aktienkurse begannen recht schnell mit einer Kurserholung. „Die Märkte haben schnell verstanden, dass Gesundheitsbedürfnisse weiter bedient werden müssen - auch im Lockdown. Dementsprechend konnten sich Healthcare-Aktien schnell erholen.“, erklärt Hendrik Lofruthe, einer der für Gesundheits-Investments verantwortlichen Fondsmanager bei der Düsseldorfer Apo Asset Management, der Fondstochter der Deutschen Apotheker und Ärztebank und der Deutschen Ärzteversicherung. Schon im April konnte der MSCI Healthcare seine Verluste gegenüber dem Jahresbeginn aufholen. Wer breit gestreut in Aktien der Gesundheits-Branche investiert hatte, hatte seine Verluste also binnen weniger Woche ausgeglichen.

Ab Mai verlangsamte sich der Anstieg des MSCI Healthcare und der allgemeine MSCI World holte stark auf. Healthcare ist jedoch ein heterogenes, komplexes Feld. Das zeigt sich, wenn man sich die Sub-Sektoren ansieht. So wiesen die großen Pharma-Aktien in den vergangenen Monaten eine unterdurchschnittliche Kursentwicklung auf, obwohl mehrere der großen Pharmakonzerne eine wichtige Rolle bei der Impfstoffproduktion spielen, von der man sich den Sieg über das hochansteckende Virus und seine noch aggressiveren Mutationen versprechen kann. Neben den schon vorher bekannten großen Konzernen wie Pfizer, AstraZeneca und Johnson & Johnson sind bis dato kleine, in Nischen arbeitende Biotech-Unternehmen weltbekannt geworden, darunter BioNTech aus Mainz.

In der Kooperation zwischen Pharma-Multis und kleinen Biotech-Start-ups deutet sich bereits die ganze Breite des Anlageuniversums „Healthcare“ an, das allerdings nicht nur auf Pharmazeutika- und Impfstoffhersteller begrenzt ist. „Der Healthcare-Sektor hat viele Gesichter, viele Untersektoren“, erklärt auch Ton Wijsman, Anlagestratege bei der Fondsgesellschaft Alliance-Bernstein, und verweist darauf, dass der Branchenindex MSCI World Healthcare in sechs Unter- Indizes eingeteilt ist. Neben dem MSCI Pharmaceuticals (Pharmahersteller) und dem MSCI Biotechnology (Biotechnologie-Unternehmen) sind dies „Providers & Services“ (darunter Krankenversicherungen), „Life Science Tools & Services“ (darunter Labortechnik und Gen-Sequenzierung), „Equipment & Suppliers“ (beispielsweise künstliche Gelenke) und der MSCI Healthcare Technology.

In letzterem sind zwar nur vier Aktien enthalten, diese zeigten aber seit dem Ausbruch der Pandemie eine stark überdurchschnittliche Kursentwicklung. Denn vor allem das Thema „Digitalisierung des Gesundheitswesens“ stand 2020 in der Gunst der Anleger hoch im Kurs. „Digital Health“ nennen sich die Fonds, die sich diesem Gebiet verschrieben haben. Sie gehörten zu den größten Profiteuren der Pandemie. Erst ab Februar dieses Jahres ging ein Teil dieser Kursgewinne wieder verloren. Insgesamt schlechter schnitten die Sub-Branchen „Providers & Services“ und „Equipment & Suppliers“ ab. Die darin enthaltenen Unternehmen gehörten überwiegend zu den Corona-Verlierern, die es durchaus auch im Gesundheitswesen gibt. Denn die Pandemie führte zu einer Konzentration der Ressourcen im Gesundheitssektor auf die Bekämpfung des Virus und seiner Auswirkungen. So fanden beispielsweise verschiebbare Operationen nicht statt, die Einführung einiger neuer Medikamente wurde verschoben, Gelder und Mittel der neuen Priorität untergeordnet.

Einen gewissen Wendepunkt bei der Entwicklung stellt auch bei Healthcare-Aktien der November vergangenen Jahres dar, als die Verfügbarkeit wirksamer Impfstoffe bekanntgegeben wurde. Danach holten die zuvor lange vernachlässigten Substanzwerte gegenüber sogenannten Wachstumsaktien, darunter „Digital Health“-Aktien, auf. Die Aussicht auf eine Belebung der Weltkonjunktur und die steigenden Zinsen am amerikanischen Kapitalmarkt begünstigen Substanzaktien.

Viele Fondsmanager meiden Aktien von Impfstoffherstellern wie Moderna und Novavax als zu spekulativ. Diese befänden sich laut Wijsman in einer „binären Situation“. Entweder deren Impfstoffe werden bald zu einem Erfolg – oder kommen nicht rechtzeitig. Wijsman weist darauf hin, dass die Zahl der Impfstoffanbieter weltweit auf 70 bis 80 steigen dürfte und fragt: „Gibt es einen Markt für so viele Produzenten? Wir glauben, dass das nicht der Fall ist.“ Auch Hendrik Lofruthe von Apo Asset sieht beim Thema Impfstoffe noch Fragezeichen: „Das hängt vor allem davon ab, wie viele wann zugelassen werden und wo die Preisentwicklung hingeht."

Besser absehbar sind dagegen andere positive Effekte. Dr. Cyrill Zimmermann, Experte bei Bellevue Asset Management aus der Schweiz, erwartet solche positiven Effekte in manchen Bereichen. Von einer Normalisierung dürften zunächst der Bereich MedTech mit dem Beispiel der Implantate-Hersteller sowie Klinikbetreiber profitieren, weil aufgeschobene Eingriffe nachgeholt werden können. Im Sektor Diagnostik und Testgeräte hat es eine Entwicklung moderner Schnelltests gegeben, die auch künftig zur Identifikation von anderen viralen Erkrankungen eingesetzt werden können. Unter dem Eindruck der Pandemie wurden in verschiedenen Ländern Investitionsprogramme und Budgets für eine Verbesserung der Gesundheitsvorsorge verabschiedet. Dies dürfte Lieferanten von Ausrüstung zugutekommen. Den größten Umbruch sieht Zimmermann aber im Bereich der Digitalisierung: Telemedizinspezialisten und andere Unternehmen, die die Digitalisierung des Gesundheitswesens voranbringen, haben 2020 Fortschritte erzielt, für die sie normalerweise drei bis vier Jahre gebraucht hätten. „Auf die Digitalisierung im Gesundheitswesen wirkte Covid-19 wie ein Katalysator“, bestätigt auch Lofruthe.

Aber auch die Rolle der Biotechnologie wird weiter stark wachsen. Der erste, hochwirksame und weitgehend nebenwirkungsfreie Corona-Impfstoff von Pfizer und BioNTech basiert auf der mRNA-Technologie, einem gentechnischen Verfahren, das sich zunutze macht, dass Botenmoleküle, die sogenannten Messenger-RNA (mRNA), genetische Information innerhalb von Zellen zu den Ribosomen bringt, wo sie in Proteine übersetzt wird. Zimmermann von Bellevue sieht darin „eine Technologieplattform, die uns noch lange begleiten und hoffentlich verschiedenste neue Ansätze bringen wird – bis in die Krebsforschung hinein.“ Auch andere Experten erwarten, dass dieser erste praktische Einsatz der mRNA-Technologie einen Meilenstein darstellt, der sich als wegweisend erweisen wird.

Zunächst dürfte es möglich sein, schnell auf Virusmutationen zu reagieren, indem der Impfstoff angepasst wird. Darüber hinaus öffnet sich ein großes Feld für Innovationen, die Heilungschancen bei Krankheiten eröffnen, die bislang als unheilbar galten. Dazu gehören manche
Autoimmunerkrankungen. BioNTech erforschte bereits vor Corona den Einsatz entsprechend programmierter mRNA gegen Multiple Sklerose und Krebs. Spezielle mRNA-Botenstoffe können grundsätzlich auch gegen verschiedene Krebsarten eingesetzt werden, indem sie menschliche Zellen dazu bringen, Antikörper gegen Tumorzellen zu bilden. Ingmar Hoerr, Gründer von Curevac und mRNA-Pionier, sagte in einem Interview, man könne auch an Diabetes oder Demenzerkrankungen denken. Man müsse einfach nur verstehen, was die Ursachen einer Krankheit sind, dann könne man die RNA entsprechend programmieren. Und die mRNA ist nur ein Ansatzpunkt von vielen biotechnologischen Methoden. Inzwischen stecken in zwei Dritteln aller neu zugelassenen Medikamente Innovationen aus der Biotechnologie.

Das Anlageuniversum „Healthcare“ bietet aufgrund seiner zahlreichen und sehr verschiedenen Unter-Branchen Raum für unterschiedliche Strategien. Die grundsätzlichen Treiber für die Branche bleiben die steigende Lebenserwartung und somit Alterung der Weltbevölkerung, der veränderte Lebensstil und nicht zuletzt Innovationen, die immer häufiger mittels biotechnologischer Verfahren gefunden werden. Für Anleger eröffnet sich damit eine Fülle an Investitionsmöglichkeiten, die von konservativen, breit diversifizierten Basisinvestments bis hin zu spezialisierten, spekulativeren Ansätzen reichen.

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