Markteinschätzung November 2022

Anleihen runter, Aktien rauf


Im September waren angesichts hoher Inflationsraten die Hoffnungen auf eine weniger restriktive Geldpolitik der Notenbanken geschwunden. Viele Aktienindizes waren auf die tiefsten Werte seit dem vierten Quartal 2020 gefallen. Zwar lebte die Hoffnung auf ein baldiges Ende des scharfen Kurses in der Geldpolitik der US-Notenbank im Oktober wieder auf. Diese Erwartung wurde von schwächeren US-Konjunkturdaten gestützt. Der US-Arbeitsmarkt mit geringer Arbeitslosigkeit und steigenden Löhnen lässt der US-Notenbank jedoch wenig Spielraum, im Kampf gegen die Inflation nachzulassen. Die im Oktober veröffentliche Jahresrate der US-Inflation für September ging zwar leicht zurück. Weil aber die Börsen einen stärkeren Rückgang erwartet hatten, kam es zunächst zu einem Kursrutsch, zumal die Kernrate der Inflation mit 6,6 Prozent weiter anstieg. Anders als im September erholten sich die Aktienmärkte diesmal recht schnell von den Inflationszahlen. Die Aussicht auf weitere Leitzinserhöhungen verlor offenbar etwas an
Schrecken, zumindest an den Aktienmärkten.

Zinsanstieg setzt sich fort


An den Rentenmärkten setzte sich der Anstieg der Zinsen fort, was zu weiteren Kursverlusten bei Anleihen führte. Die Rendite bei US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit stieg erstmals seit der Finanzkrise 2008 über vier Prozent und erreichte mit 4,33
Prozent den höchsten Stand seit 14 Jahren. Auch in Europa und Deutschland erreichten die Anleiherenditen die höchsten Werte seit vielen Jahren. Turbulent war es vor allem bei britischen Anleihen zugegangen. Die Pläne von Premierministerin Liz Truss, die Steuern massiv zu senken, um Großbritannien nach dem EU-Austritt wirtschaftlich zu beleben,
fielen an den Kapitalmärkten durch. Die Aussicht auf eine massiv steigende Staatsverschuldung Großbritanniens hatte zu einem Kurssturz britischer
Staatsanleihen geführt und die Bank of England zu Stützungskäufen gezwungen. Truss musste schließlich zurücktreten. Der neue britische Premier Rishi Sunak dürfte als ehemaliger Investmentbanker über mehr Kompetenz in wirtschaftlichen Fragen verfügen.

Aktienmärkte profitieren von positiven Quartalszahlen


An den Aktienmärkten wandte sich die Aufmerksamkeit zunehmend den Quartalsergebnissen zu. Die Unternehmensresultate des dritten Kalenderquartals
konnten in vielen Fällen positiv überraschen, was zu einer Erholung der Aktienkurse im Oktober führte. Der populäre Dow Jones Industrial Average Index in New York stieg von seinem Jahrestief Ende September um gut 10 Prozent, der westeuropäische
Euro-STOXX-50 ebenso. Auch der deutsche Leitindex DAX konnte sich in diesem Zeitraum um etwas mehr als 10 Prozent erholen. So stieg er von knapp unter 12.000 Zähler auf zeitweilig 13.200 Punkte. An der Börse Tokio überwogen im Oktober die Kursgewinne.
Allerdings fiel der Anstieg der Aktienindizes geringer aus als an den meisten westlichen Börsen. Der Nikkei-225-Index stieg von knapp 26.000 Punkten um gut fünf Prozent.

International fielen vor allem die chinesischen Aktienmärkte durch ihre anhaltende Schwäche auf. In Hongkong fiel der Hang Seng Index auf den tiefsten Stand seit der Finanzkrise im Jahr 2008. Die fortschreitende Umwandlung Chinas von einer Diktatur
der kommunistischen Partei zu einer Ein-Mann-Diktatur von Präsident Xi Jingping beschleunigt den Rückzug internationaler Investoren. Schon das vergangene Jahr zeigte, dass die Wirtschaft im Reich der Mitte willkürlichen Eingriffen und Verboten des
Staates ausgesetzt ist.

Schwächerer US-Dollar


An den Devisenmärkten nahm die Aufwärtskraft des US-Dollars ab. Nachdem der Euro zum US-Dollar in der letzten Septemberwoche mit 0,954 Dollar/Euro auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren gefallen war, stabilisierte sich die europäische Gemeinschaftswährung. Schon in den ersten Oktoberwoche gab es eine Erholung bis zur Paritätsmarke von eins zu eins. In der letzten Oktoberwoche war ein Euro dann wieder
mehr als ein US-Dollar wert. Ein weitreichender Anstieg des Euro ist aber nicht zu erwarten, solange der Zinsvorteil für den US-Dollar spricht und Europa unter dem russischen Angriffskrieg leidet.

Exkurs: Der Faktor Öl und seine Bedeutung für die Weltwirtschaft


Öl dürfte den Zenit seiner Bedeutung für die Weltwirtschaft schon vor Jahren überschritten haben. Die Zeiten, in denen reihenweise große Ölkonzerne unter
den nach Börsenwert wertvollsten Konzernen zu finden waren, sind zumindest vorbei. Saudi Aramco, der Erdölkonzern Saudi-Arabiens, rangiert zwar mit einem rechnerischen, also theoretischen Wert von rund zwei Billionen US-Dollar in der gleichen Liga wie
Apple und Microsoft, befindet sich im Gegensatz zu diesen aber zu 94 Prozent in Staatsbesitz. Nur 1,8 Prozent der Aktien werden frei gehandelt. Beim mehrmals
verschobenen Börsengang im Dezember 2019 zeichnete sich ab, dass das weltweite Interesse an den Aktien nicht ausreichend hoch war, um wesentlich größere Anteile am Konzern zu verkaufen. So gehört Saudi Aramco zwar nach Marktkapitalisierung zu den wertvollsten Unternehmen der Welt, spielt aber praktisch für Anleger außerhalb Saudi-Arabiens keine große Rolle.

Investoren ziehen sich aus fossilen Energieträgern zurück


Angesichts der Klimawandels ziehen sich zunehmend mehr Investoren vollständig aus Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft zurück. Öl gilt als Auslaufmodell, spielt allerdings in der Gegenwart der Weltwirtschaft noch eine große Rolle. So erholte sich
der Ölpreis auf den Weltmärkten von seinem Pandemie-Crash-Niveau von unter 20 US-Dollar pro Barrel im März 2020 bis auf rund 80 US-Dollar Ende 2021. In diesem Jahr war es zunächst die Sorge vor einem Angriff Russlands auf die Ukraine, die den Preis weiter
steigen ließ, gefolgt von der tatsächlichen russische Invasion.

Kurzzeitig wurde im März ein Rekordölpreis von mehr als 130 US-Dollar pro Barrel erreicht. Als dann ab Juni erkennbar wurde, dass die Weltwirtschaft in eine Rezession abrutschen würde, begann der Ölpreis Richtung 90 US-Dollar zu sinken. Das rief das
Ölförderkartell OPEC auf den Plan, das bis dahin vom Preisanstieg profitiert hatte. Unter der Bezeichnung OPEC plus bezieht die OPEC auch Russland in ihre Entscheidungen mit ein.

OPEC+ reagiert mit Angebotskürzungen


Nur wenige Stunden nachdem die Gemeinschaft der größten Industriestaaten G7 neue Sanktionen gegen Russland beschlossen hatte, zu denen auch eine Preisgrenze für russisches Öl gehört, beschloss die OPEC+, die Ölförderung um bis zu zwei Millionen Barrel pro Tag zu drosseln. Die Menge der Förderkürzungen würde damit rund zwei Prozent der weltweiten Ölnachfrage entsprechen. Tatsächlich beendete der
Ölpreis seinen Abwärtstrend und näherte sich wieder der Marke von 100 US-Dollar pro Barrel.

Die USA kritisierten die Kürzungen scharf. Mit der Entscheidung verbünde sich die OPEC mit Russland, hieß es aus dem US-Präsidialamt. Dies sei ein Fehler. Das Weiße Haus hatte im Vorfeld angekündigt, Produktionskürzungen seitens der OPEC mit einer weiteren Freigabe von Lagerbeständen aus der strategischen Ölreserve kontern zu wollen.

Noah Barrett, Research Analyst for Energy & Utilities bei der Investmentgesellschaft Janus Henderson Investors kommentierte die Entscheidung: „Eine Angebotsreduzierung
in dieser Größenordnung ist in diesem Markt immer noch erheblich und wird die
Preise im Vergleich zu den jüngsten Tiefstständen auf einem hohen Niveau halten. Wie sich diese Angebotskürzung mittelfristig auf die Preise auswirken wird, ist noch ungewiss. Negativ betrachtet könnte man sagen, dass eine Kürzung der OPEC+ ein Signal dafür ist, dass die weltweite Ölnachfrage Anlass zur Sorge gibt und ein Anstieg der OPEC+-Reserve einen Teil der Verknappungsprämie aus dem Preis nimmt.“ Es bestehe das Risiko, so der Experte, dass die Preise wieder dreistellig werden, sollte es Anzeichen für eine
Verbesserung der weltweiten Nachfrage, insbesondere in China, und/oder eine deutliche Verringerung des russischen Angebots geben, wenn die Embargos greifen.

Ein niedrigerer Ölpreis verringert den Inflationsdruck


Umgekehrt, so Experten, würde ein geringerer Ölpreis der Weltwirtschaft in der jetzigen Schwächephase helfen und auch den Inflationsdruck verringern. Denn der Kostenfaktor Öl beeinflusst indirekt viele Güterpreise.

Aktien der Ölkonzerne gehören zu den wenigen Branchen, die im laufenden Jahr entgegen dem allgemeinen Trend an den Aktienmärkten hohe Kursgewinne
verzeichnen konnten. Bis zum Beginn der letzten Oktoberwoche weist der MSCI-Aktienindex für die Energiebranche seit Jahresbeginn ein Plus von 40 Prozent aus.

Fazit


Der Ölpreis bleibt wohl auch in den nächsten Jahren ein wichtiger Faktor für die Weltwirtschaft. Aber nachhaltig ist der starke Anstieg der Öl-Aktienkurse nicht.

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