Das Interview

Beim Interview müssen Sie Fragen beantworten, die nicht nur Ihre Fachkompetenz betreffen, sondern auch Ihre Persönlichkeit auf den Prüfstand stellen. Dabei sind neben dem klassischen Einzelinterview auch Kleingruppeninterviews denkbar. Bei den Fragen handelt es sich teilweise um die klassischen Fragen, die auch aus dem Vorstellungsgespräch bekannt sind. Es kann also durchaus sein, dass man Sie auffordert, etwas über sich zu erzählen oder Sie beispielsweise fragt, warum Sie sich gerade auf diese Position bewerben. Möglicherweise möchte man auch wissen, was Ihre Stärken und Schwächen sind, welche Erfolge und Misserfolge Sie bisher zu verbuchen haben oder wo Ihre Ausbildungs- und Arbeitsschwerpunkte liegen. Im Interview stehen also wie gehabt wieder Persönlichkeit, Leistungsmotivation und Kompetenz im Mittelpunkt. Unabhängig vom Inhalt der einzelnen Fragen kommt es auch in diesem Teil des Personalauswahlverfahrens vorrangig darauf an, wie Sie sich selbst darstellen. Wenn Sie in einem angemessenen Rahmen von sich und Ihren Fähigkeiten überzeugt sind, und das auch den Assessoren überzeugend vermitteln können, sind Sie schon fast auf der Zielgeraden.

Die Bewältigungsstrategie

Beschäftigen Sie sich gründlich mit sich selbst! Denken Sie darüber nach, was für ein Mensch Sie sind, was Sie können und was Sie wie erreichen wollen. Bereiten Sie sich auf das Assessment-Center vor, indem Sie sich schon vorher mit diesen Fragen befassen und sich überlegen, wie Sie Ihren bisherigen beruflichen Werdegang, Ihre Kompetenz und Eignung für die ausgeschriebene Position und Ihre Leistungsmotivation am besten präsentieren. Machen Sie sich vorab klar, was Sie über Ihren persönlichen, familiären und sozialen Hintergrund preisgeben möchten, wenn Sie gebeten werden, etwas über sich zu erzählen.

Es kommt auch vor, dass beim Interview ganz bestimmte Anforderungsmerkmale wie etwa Führungskompetenzen in den Mittelpunkt gestellt werden. In diesem Fall könnten die Assessoren von Ihnen wissen wollen, ob Sie in Ihrem bisherigen Berufsleben schon einmal Führungsaufgaben übernommen haben, ob Sie damit erfolgreich waren, und wie Ihre Führungsposition im Einzelnen ausgesehen hat. Möglicherweise werden Sie aufgefordert konkrete Beispiele dafür zu nennen sowie Ziele und Ergebnisse zu erläutern.

Mithilfe von Stressinterviews können die Beobachter Ihre Belastungsfähigkeit testen. In einer abgespeckten Version eines Vorstellungsgespräches müssen Sie dann beispielsweise Ihren Lebenslauf in Kurzform präsentieren oder Ihren beruflichen Werdegang skizzieren. Die Fragen zu Ihrer beruflichen Entwicklung und den verschiedenen Kompetenzbereichen könnten unter anderem Ihre Biografie, persönliche Aspekte, Orientierung, Strategie oder Ihre Selbsteinschätzung betreffen, um nur einige Beispiele zu nennen. Zur Ermittlung Ihrer Kernkompetenzen können Fragen zu Persönlichkeit, Kommunikationsfähigkeit, systematischem Denken und Handeln, Flexibilität, Organisationsvermögen und Entscheidungsverhalten gestellt werden.
Im Folgenden beschäftigen wir uns etwas ausführlicher mit den verschiedenen Arten von Fragen, die im Interview auf Sie zukommen können. In der Regel beginnt der Interviewer mit den Faktenfragen zu Ausbildung, Studienabschluss und Ihren aktuellen Zielen. Diese Fragen sollten Sie kurz und knapp beantworten und Ihr Gegenüber nicht mit unnützen Ausschweifungen langweilen.

Mit den sogenannten Erzählfragen möchte man Sie hingegen bewusst zum Reden bringen, um so möglichst viel über Sie zu erfahren. Vor allem möchte Ihr Gegenüber dabei etwas über Ihre Stärken und Schwächen und Ihre Motivation, sich gerade um diese Position zu bewerben, herausfinden. Zwar sollten Sie darauf achten, was Sie am Ende wirklich von sich preisgeben aber reden Sie etwas ausführlicher. Die Erzählfragen dienen dazu, Ihre Kommunikationsfähigkeit zu überprüfen und zu testen, ob man leicht mit Ihnen ins Gespräch kommt, oder ob Sie sich damit eher schwer tun.

Die sogenannten Beurteilungsfragen dienen der Überprüfung Ihres Urteilsvermögens, das heißt, man möchte herausfinden, ob Sie ein Gespür für Trends und Entwicklungen haben. Man könnte Sie also beispielsweise fragen, wie Sie die allgemeine wirtschaftliche Lage in der Branche des Unternehmens beurteilen oder was Sie vom neuesten Produkt der Firma halten. An diesem Punkt geht es darum, dass Sie Ihre Meinung deutlich machen und Ihren vorgetragenen Standpunkt auch mit Überzeugung vertreten. Vergessen Sie aber nicht, dass Sie dabei nur Ihre Meinung kundtun und nicht etwa besserwisserische Statements abgeben sollen.

Eine Handlungsfrage könnte möglicherweise lauten, wie Sie beispielsweise die Marketingkampagne für ein neues Produkt planen würden. Mit dieser Art von Fragen möchte Ihr Gegenüber herausfinden, ob Sie über analytische und konzeptionelle Fähigkeiten verfügen. Allerdings wird auch darauf geachtet, ob Sie im Rahmen Ihrer Antworten eine gewisse Teamorientierung erkennen lassen oder lieber alles im Alleingang machen, ob Sie kooperativ sind und gut ins Team passen oder eher ein Quertreiber sind.

Bei den Konkretisierungsfragen handelt es sich um Nachfragen, die dem Personalentscheider helfen sollen, Sie besser zu durchschauen. Haben Sie sich nur oberflächlich vorbereitet oder enthalten Ihre Aussagen persönliche Substanz? Warum bewerben Sie sich in diesem Augenblick beim Unternehmen? Nichtssagende Begründungen, die etwa in die Richtung gehen, dass Sie eben gerade die Anzeige des Unternehmens entdeckt haben oder dass Sie sich gerade einfach nur neu orientieren wollen, werden in der Regel ignoriert. Stattdessen bohren die Assessoren mithilfe weitere Fragen nach, um Ihnen den tatsächlichen Grund Ihrer Bewerbung zu entlocken. Dabei wird gegebenenfalls Ihre aktuelle berufliche Situation oder Ihr Wissen über das Unternehmen hinterfragt. Es wird so lange gefragt, bis Ihr Gegenüber Rückschlüsse ziehen kann, ob Sie nur oberflächlich einstudierte Antworten geben oder sich wirklich gut vorbereitet haben und ehrliche Antworten liefern. Bereiten Sie sich im Vorfeld gut auf das vor, was Sie auch wirklich als Botschaft vermitteln wollen.

Widerstands- und Kontrapunktfragen dienen ebenfalls der intensiveren Beleuchtung Ihrer Aussagen. Werden Kandidaten beispielsweise gefragt, wie Sie zur Teamarbeit stehen, kommen in der Regel stereotype, die Teamarbeit bejahende Antworten, weil niemand wirklich zugibt, wenn er für Teamarbeit nicht allzu viel übrig hat. Also werden die Fragen etwas geschickter formuliert und könnten in Bezug auf die Teamarbeit etwa folgendermaßen lauten:

  • Wo sehen Sie die Grenzen für Teamarbeit?
  • Wann ist aus Ihrer Sicht Teamarbeit nicht so sinnvoll?
  • Wo sehen Sie mögliche Probleme bei der Teamarbeit?
  • Wie müsste man Teamarbeit gestalten, damit sie erfolgreich ist?

Diese Aneinanderreihung von Fragen verlangt den Kandidaten eine differenzierte Beantwortung ab. Wer dabei aber dennoch bei seiner klassischen Antwortversion, dass Teamarbeit heutzutage notwendig ist und stets positiv zu bewerten ist, bleibt, kommt damit nicht weit. Diese Fragestellungen zwingen die Kandidaten förmlich dazu, eine konträre Position zu formulieren. Wenn Sie also nach den möglichen Problemen bei der Teamarbeit gefragt werden, könnten Sie beispielsweise antworten, dass der Koordinierungsaufwand dabei höher ist oder Entscheidungsprozesse im Team schon einmal etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen. Wer nur die üblichen stereotypen Antworten auf Lager hat, gilt nicht nur als unglaubwürdig, sondern auch als geistig unflexibel.

Enthüllungsfragen werden von den Assessoren eingesetzt, um unvorbereitete Kandidaten durch gedankliche Umwege zum unreflektierten Plaudern zu verleiten. Es geht dabei vorrangig um die Selbsteinschätzung der Kandidaten hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen. Man fragt Sie aber in diesem Fall nicht direkt, wie Sie sich selbst einschätzen, sondern was Studien- oder Arbeitskollegen von Ihnen halten. Was schätzen sie an Ihnen und welche Ihrer Eigenschaften mögen sie nicht so sehr? Wie würden frühere Vorgesetzte Sie beschreiben? Über diesen gedanklichen Umweg tappt mancher Kandidat prompt in die Falle und plaudert, was das Zeug hält. Auch wenn die Assessoren beispielsweise wissen möchten, was Sie am liebsten in Ihrem Betrieb ändern möchten, fragen Sie nicht nach Ihrer direkten Meinung. Stattdessen bieten Sie Ihnen an, diese stellvertretend über Dritte zu äußern. Die Frage könnte also lauten was Ihre Kollegen oder Kunden Ihrer Meinung nach am Unternehmen kritisieren würden.

Ebenso wenden die Beobachter gerne abstrakte Fragen an, um Sie zum Reden zu bringen und persönliche Dinge über Sie zu erfahren. Sie werden nach Ihrem Lebenstraum gefragt, nach Ihren Zielen, Ihrem Lebensmotto oder nach den Grundwerten, die für Sie wichtig sind. Bei der Beantwortung dieser Fragen geben die Kandidaten in der Regel vieles über ihre Werte und ihre Persönlichkeit preis – solche Fragen sind also der perfekte Persönlichkeitstest schlechthin.

Kettenfragen dienen der Überprüfung Ihrer Fähigkeit, mehrgleisig zu denken, das heißt, man stellt Ihnen zwei- oder dreiteilige Fragen, um so zu sehen, wie Sie bei der Beantwortung vorgehen. Welchen Teil der Frage beantworten Sie zuerst, welche Prioritäten setzen Sie also oder beantworten Sie vielleicht auch einen Teil der Kettenfrage gar nicht, weil Ihnen dieser in der angespannten Situation entgangen ist? Beweisen Sie Stressresistenz und widmen Sie sich Schritt für Schritt jeder Fragestellung. Kommt Ihnen eine Frage komisch oder gar provokativ vor, fragen Sie einfach noch einmal nach, ob Sie diese richtig verstanden haben. Möglicherweise ist auch das nur ein Test, mit dem man herausfinden möchte, ob Sie auch dann souverän bleiben, wenn Sie persönlich angegriffen oder kritisiert werden. Reden Sie auch niemals schlecht über Kollegen, Vorgesetzte oder andere Personen, selbst wenn das Ihrer Meinung nach gerechtfertigt wäre. Mit Fragen, wie Sie zu anderen Personen in Ihrem beruflichen Umfeld stehen, wollen die Beobachter nämlich Ihre Loyalität überprüfen. Plaudern Sie in diesem Fall also nicht zu sehr aus dem Nähkästchen, denn das wird von den Assessoren eher negativ bewertet. Bleiben Sie höflich und freundlich, halten Sie Blickkontakt und zeigen Sie Interesse, um die Sympathie Ihres Gegenübers zu gewinnen.

Die Bewältigung unangenehmer Fragen

Jeder Kandidat hat mit Sicherheit ganz bestimmte Fragen, die er im Assessment-Center am liebsten gar nicht hören würde. Machen Sie sich vor dem Auswahlverfahren eine Liste mit Ihren ganz speziellen Angstfragen und überlegen Sie sich mögliche Antworten darauf. Die unbeliebteste Frage lautet sicherlich, was gegen Sie als Kandidat für die ausgeschriebene Position sprechen würde. Antworten Sie an dieser Stelle zurückhaltend und heben Sie zunächst noch einmal vor, was für Sie spricht, bevor Sie sich ein oder zwei unbedeutende Negativpunkte überlegen, die Ihnen nicht schaden. Auch die Frage, was Sie in einer bestimmten Situation machen würden, kann problematisch sein, wenn man Ihnen Katastrophenszenarien oder fast unlösbare Aufgaben liefert, die Sie aus dem Stegreif lösen sollen. Man stellt Ihnen also beispielsweise die provokative Frage, was Sie machen oder sagen würden, wenn Sie die Stelle aus einem bestimmten Grund nicht bekommen. An diesem Punkt empfiehlt es sich, Verständnis für das Argument Ihres Gegenübers zu signalisieren, es aber gleich zu entkräften, indem Sie ein entsprechendes Gegenargument liefern. Es geht dem Beobachter bei dieser Art zu fragen letztlich darum, wie Sie mit solchen Provokationen umgehen. Bleiben Sie gelassen und gehen Sie sachlich damit um oder werden Sie nervös und lassen sich Ihren Ärger über die Frage anmerken? Die harmlos klingenden Umschreibungen mancher Fragen sind eine weitere Falle, die man Ihnen stellen könnte. So werden Sie möglicherweise gefragt, wo Sie für sich noch Entwicklungspotenzial sehen und nicht wie sonst üblich, was Sie als Ihre aktuellen Schwächen betrachten. Doch beide Formulierungen haben das gleiche Ziel, nämlich Ihre Schwachpunkte aufzudecken, auch wenn der Begriff Entwicklungspotenzial netter klingt. Nennen Sie harmlose Beispiele, also etwa, dass Sie nicht gerade ein Computerfreak sind, aber alle Programme, die Sie für die Arbeitsstelle benötigen, beherrschen. So relativieren Sie Ihr Negativbeispiel sofort wieder und schaden sich für den weiteren Verlauf des Auswahlverfahrens nicht selbst. Beliebt sind auch Fragen, mit denen die Assessoren herausfinden wollen, ob Sie im Umgang mit anderen Menschen problematisch sind oder nicht. So könnte man Sie fragen, was Ihrer Meinung nach andere Personen wie etwa ehemalige Vorgesetzte oder Studienkollegen über Sie sagen würden. Geben Sie in diesem Fall keine Unstimmigkeiten mit diesen Personen zu, sondern zeigen Sie, dass Sie sich in andere Menschen hineinversetzen können. Erklären Sie, dass Sie zwar nicht ganz genau wissen, was der andere über Sie sagen würde aber doch diese oder jene Aussage für wahrscheinlich halten - und an dieser Stelle zählen Sie noch einmal Ihre Vorzüge auf. Wichtig ist, dass unangenehme Fragen Sie nicht gleich aus dem Konzept bringen, sondern souverän und professionell von Ihnen beantwortet werden.

So überstehen Sie das Stressinterview

Gerade im Stressinterview bombardiert man Sie möglicherweise mit solchen Fragen, um Sie aus der Reserve zu locken, Sie zu provozieren und Ihr Verhalten unter Drucksituationen zu testen. Bleiben Sie ruhig, beantworten Sie die Fragen so knapp wie möglich und selbst, wenn Ihr Gegenüber eine Schweigepause einlegt, um Sie zu irritieren, ertragen Sie diese gelassen. Sie müssen auch nicht jede Frage beantworten, sofern diese zu intim ist oder Sie womöglich preisgeben sollen, für wen Sie sich bei der letzten politischen Wahl entschieden haben. Das geht niemanden etwas an und hier dürfen Sie selbstverständlich freundlich darauf hinweisen, dass dies Ihre private Sache ist. Damit zeigen Sie, dass Sie durchaus in der Lage sind, Grenzen zu setzen und nicht einfach alles ausplaudern, obwohl Sie das eigentlich gar nicht wollten.


Vergessen Sie auch in dieser Situation niemals die Körpersprache, denn was Sie nicht aussprechen wollen, könnten Sie gegebenenfalls durch Ihre Körperhaltung ungewollt preisgeben. So deuten verschränkte Arme etwa auf Ablehnung, Schutzverhalten oder sogar Angst hin und achselzucken auf pure Hilflosigkeit. Wenden Sie ständig den Blick von Ihrem Gegenüber ab, signalisieren Sie Verlegenheit und Unsicherheit sowie mangelndes Selbstbewusstsein, wenn Sie zu leise sprechen. Treten Sie selbstsicher auf, ohne arrogant zu wirken und halten Sie Blickkontakt zu Ihrem Gegenüber. Gestik und Mimik haben ihre Bedeutung und jeder weiß, dass ein zugekniffener Mund oder eine in Falten gelegte Stirn Alarmzeichen sind, die nicht gerade von einer entspannten Stimmung zeugen. Das soll nicht heißen, dass jedes Augenzucken Ihrerseits Anlass zu bestimmten Interpretationen gibt und dass Sie jede einzelne Geste oder Verhaltensweise zuvor minutiös einstudieren können aber es gibt einfach einige allgemeine Regeln, die jeder kennen sollte. So bedarf es keiner Erwähnung, dass man trotz Anspannung nicht an den Fingernägeln knabbern oder böse dreinschauen sollte, wenn man sich im Stressinterview befindet. Hören Sie einfach aufmerksam zu, nehmen Sie sich etwas Zeit für Ihre Antworten und fragen Sie notfalls nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Reden Sie lieber etwas weniger als zu viel und lassen Sie vor allem Ihr Gegenüber grundsätzlich ausreden. Bleiben Sie sachlich, geduldig und gelassen und achten Sie durchweg auf Ihre Körpersprache. Vergessen Sie dabei auch nicht, zwischendurch immer einmal wieder freundlich zu lächeln, selbst wenn Ihnen gerade gar nicht danach zumute ist. Als Sympathieträger haben Sie gute Karten für eine erfolgreiche Teilnahme am Stressinterview, während der Muffel, der aus seinem Ärger über die Stresssituation keinen Hehl macht, schon so gut wie verloren hat.

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